Das, was Turiya ausmacht, ist ein starkes Netzwerk hochqualifizierter KinderyogalehrerInnen. Eine davon ist Estrella Bonilla: Sie gibt mehrere Kinderyoga-Kurse bei Turiya und unterrichtet sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch.

Estrella, wie bist du in Berlin gelandet?

Wie so viele bin ich der Liebe wegen nach Berlin gekommen. Ehrlich gesagt hatte ich Berlin nicht unbedingt als Ort, an dem ich leben möchte auf dem Radar. Aber Kalifornien war teuer und der Arbeitsmarkt schwierig, so direkt nach der Uni. Ich wollte irgendwo hinziehen, wo es ein Meer oder ein anderes großes Gewässer gibt. Gelandet bin ich dann in Berlin, und habe mich schnell in die Stadt verliebt – obwohl es das Gegenteil war von dem, was ich ursprünglich wollte. Es hat sich alles gut ergeben: Job, Wohnung, Visum. Deshalb habe ich beschlossen, es einfach mal zu versuchen. Und ich bin froh, dass ich es getan habe. In den ersten paar Jahren hat Berlin mir die Freiheit gegeben, mich nach der Uni auszuprobieren, was im schnellen, teuren und wettbewerbsorientierten San Francisco wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre.

Gibt es etwas, das du noch immer lustig oder seltsam an Deutschland oder den Deutschen findest?

Dass Stimmung und Temperament der Menschen so sehr von der Jahreszeit abhängen. Ich habe noch nie irgendwo gelebt, wo das so deutlich zu sehen war. Die Leute sind tausendmal netter, wenn das Wetter gut ist. Was ich wirklich liebe, ist die Art und Weise der Deutschen, die Sonne aufzusaugen: Sie stehen mit geschlossenen Augen in einem Fleckchen Sonnenlicht und recken sich ihr entgegen. Ich liebe das! Es ist der absolute Ausdruck von Dankbarkeit.  

Wie hast du mit Yoga angefangen – und wann wurde dir klar, dass du es auch unterrichten möchtest?

Bei meiner ersten Yogastunde war ich etwa 15 Jahre alt. Seltsamerweise war es die einzige Klasse in der Schule, bei der ich versagt habe – aber nur deshalb, weil ich erst einmal nicht mehr hinging. Etwa zur selben Zeit hatte meine Tante eine Tagesbetreuung bei uns zu Hause, sodass ich immer von Kindern umgeben war. Später habe ich Soziokulturelle Anthropologie studiert und auch eine Lizenz zum Englisch unterrichten erworben. Das war kurz bevor ich nach Berlin kam. Ich wollte mit Kindern arbeiten, deshalb habe ich angefangen, in einem bilingualen Kindergarten Englisch zu unterrichten. Seit meiner Jugend habe ich immer wieder Yoga geübt und wollte daher irgendwann meine Interessen kombinieren. Damit hat es angefangen, und es hat mir wirklich Spaß gemacht. Am Anfang war es sehr experimentell, aber ich habe viel von den Kindern gelernt – und davon, wie sie reagiert haben.

Warum denkst du, dass Yoga Kindern guttut?

Ich denke, es lehrt Kinder schon früh die Bedeutung von Atem, Körperbewusstsein und Dankbarkeit. Ich habe gar nicht so sehr das Gefühl, den Kindern etwas beizubringen. Ich unterstütze einfach ihr Bewusstsein für Körper und Atem: Etwas, das Kinder meiner Erfahrung nach ohnehin ganz natürlich haben. Im Laufe unseres Lebens werden wir so sehr mit sozialen Strukturen und Erwartungen bombardiert, dass wir es verlieren. Ich denke, wenn man früh anfängt, Kinder aufmerksamer zu machen, werden sie sich ihr Leben lang erinnern und davon profitieren. Ich habe schon Geschichten gehört, in denen Kinder ihren gestressten Eltern den Rat gaben, einfach innezuhalten und zu atmen. Und genau das ist der Grund, warum ich diese Arbeit mache.

Die Essenz des Yoga beinhaltet viel mehr als nur körperliche Übungen. Sind Kinder denn in der Lage, das zu begreifen?

Absolut! Ich halte die Atmung für wesentlich wichtiger als die Asanas (Haltungen). Kinder sind immer aktiv, sie rennen, spielen und atmen. Spielen ist natürlich eines der wichtigsten Dinge für Kinder. Wenn man ihnen klarmacht, dass ihr Körper und ihre Atmung das sind, was ihnen das Spielen ermöglicht, finden sie das faszinierend. Ich spreche mit meinen kleinen Yogis auch sehr gerne über Freundlichkeit, Liebe, Frieden und die Verbindung zwischen der Erde und den Menschen. Sie haben oft wunderbare Ansätze für das, wofür sie dankbar sind, was sie sich wünschen und wen sie lieben.

Gibt es eine Erfahrung aus einer Kinderyogastunde, an die du dich besonders erinnerst?

Oh, es gab schon so viele großartige Dinge! Einmal habe ich gehört, wie ein Kind sagte „Yoga ist Scheiße!” Das war witzig. Wir haben dann darüber gesprochen. 😊 Mit Abstand am liebsten mag ich es, wenn Kinder während dem Spielen Yoga machen. In dem Kindergarten, in dem ich arbeite, sehe ich manchmal Gruppen von Kindern, die sich mit gekreuzten Beinen hinsetzen und Yoga spielen. Das ist einfach toll. Ein älteres Kind meinte „Ich wusste gar nicht, dass Yoga so Rock‘n’Roll ist“. Ein ziemlich cooles und feinsinniges Kompliment! Im Kindergarten machen wir die Löwenatmung wenn es wirklich laut wird, und inzwischen machen die Kinder das schon oft von alleine.

Was ist das Schönste an deinem Job?

Es ist so toll, dass Yoga für Kinder zu etwas Schönem und Aufregendem geworden ist. Ich wünschte, ich hätte schon als Kind Zugang zu Yoga gehabt. Bestimmt hätte es mir mit den Unruhezuständen geholfen, die mit dem wachsenden Druck als Teenager und junger Erwachsener immer stärker wurden. Ich liebe es, dass ich Kindern Werkzeuge an die Hand geben kann, mit denen sie ihre innere Ruhe finden. Ihre Begeisterung darüber ist so pur und aufrichtig und die beste Belohnung für mich – obwohl ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, wie bedeutend und hilfreich es langfristig für sie sein kann.

Was bedeutet Yoga für dich persönlich?

Für mich ist Yoga Balance, Dankbarkeit und Bewusstsein. Ich praktiziere Yoga schon seit vielen Jahren, mit einigen Pausen dazwischen. Es gibt Zeiten, in denen ich voll darin aufgehe, und Zeiten, in denen ich die Asana-Praxis etwas links liegenlasse. Aber mein Bewusstsein für meine Atmung ist immer da. Ich habe mithilfe von Yoga eine Beziehung zu meinem Körper und mir selbst aufgebaut. Yoga ist für mich nicht nur das Körperliche: Es geht darum, innere Stärke zu finden und für unsere fleischige Hülle dankbar zu sein – ebenso wie für die Welt, zu der wir gehören. Für mich ist Yoga nicht nur Spiritualität und Bewegung, sondern auch Aktivismus. Es ist ein mächtiges Werkzeug, um das Bewusstsein für die Situation auf unserem Planeten und die Verbindung zu anderen Menschen zu wecken.

Warum erlebt Yoga aktuell einen so großen Trend? Wonach suchen die Menschen?

Balance. Unsere Gesellschaft rennt andauernd wie verrückt durch die Gegend, um unserem Dasein einen Sinn zu geben. Wir versuchen, zu verstehen, wie die Welt funktioniert und wie wir unseren Platz darin finden. Aber das ist ganz offensichtlich nicht nachhaltig, und ich glaube, die Menschen verstehen es langsam. In unserer pragmatischen und materiellen Welt ist es notwendig, nach innen zu schauen. Andernfalls sind wir nur eine fleischige Hülle, die auf der Suche nach Sinn herumschwirrt, während der der eigentliche Sinn in der magischen Tiefe in uns selbst verborgen bleibt.

Was würdest du jemandem sagen, der gerne mit Yoga anfangen möchte, aber sich nicht traut?

Mir ist aufgefallen, dass Erwachsene oft denken, sie seien nicht flexibel genug für Yoga. Ich würde ihnen gerne sagen, dass es darum nicht in erster Linie geht. Und falls Flexibilität das Ziel ist, werden sie es mithilfe von Yoga auf jeden Fall erreichen. Yoga hilft dir, eine Beziehung zu dir selbst und anderen aufzubauen. Eine Flexibilität von Körper und Geist entsteht daraus ganz automatisch.

Englische Version:

Estrella, how did you first come to Berlin?

Like many, I came to Berlin for love. Truthfully, Berlin was never on my radar as a place to move. California was expensive and the job market was competitive right out of university. I wanted to move somewhere near a large body of water. I ended up in Berlin but fell for it quickly, despite it being the complete opposite of what I was looking for. Things came together for me smoothly – job, flat, and visa. So I decided to give it a try and I’m happy I did. For the first few years Berlin gave me a freedom of affordable self-exploration post-university that I don’t think would have been possible in fast-paced, competitive and expensive San Francisco or LA. 

Was there something you found (or still find) especially funny or odd about Germany or the Germans?

The seasonal change in public temperament. I’ve never lived in a place where it’s so obvious. People on the street really appear and act exponentially kinder when the weather is nice. I also absolutely love the German stance of soaking up sun; standing in a patch of sunlight, eyes closed, looking up at the source. I love this! It’s the ultimate visual of gratitude.

How did you start with yoga, and when did you realize that you wanted to be a teacher?

I took my first yoga class when I was 15 in high school. Strangely enough, it was the only class I ever failed in school but only because I stopped going. Around the same time my aunt had a daycare center in our home, so I was always around young children. Flash forward to studying Socio-Cultural Anthropology in university, then getting a TEFL certification to teach English just before I move to Berlin. I wanted to work with kids, so I started working at a bilingual kindergarten as an English teacher. Since I’ve been practicing yoga (on & off) since teenhood I decided to give it a try with the kids, you know, combine my interests. So that’s where it began and I really enjoyed it. It was very experimental at first but I learned so much from the kids and how they responded to it. 

Why do you think children benefit from doing yoga?

I think it sets in stone at an early age the importance of our breath, body awareness and gratitude. I don’t feel like I’m teaching the children anything, I’m just reinforcing an awareness of body and breath, one that, from my experience children already are so in tune with. Throughout our lives and as we age and get bombarded with social structure and expectations, we forget the importance of breath and body. I think if you introduce it now, it’s something kids will remember and hold onto for the rest of their lives. I’ve already heard stories of kids telling their stressed parents to just stop and breathe, and that is why I do it!

The essence of yoga goes way beyond just doing Asana. Are children even capable of grasping this?

Of course! For me the breathing is more important than the Asanas. Children are constantly active, playful and running, and of course always breathing! Play is obviously one of the most important thing to a child so when you make that connection for them, that their breath and body are what allows them to do the most important thing in their lives, it’s mind-blowing. I also like to talk with my yogis about kindness, love, peace, and oneness with the earth and people. They have great input on what they’re grateful for, what they wish for, and who they love! 

Is there a particularly funny/weird/beautiful experience you had in a yoga class with kids?

Oh I’ve heard so many amazing things! Kids are so honest and ruthless with their thoughts. I heard a kid once say that, “Yoga ist Scheiße!” That was funny. We talked about why after 🙂 My favorite thing hands down is seeing children during their play doing yoga. At the kindergarten where I work, I’ve seen groups of children sitting down cross-legged playing Yoga. It’s amazing. One older kid said, “I didn’t know yoga was so rock n’roll!” That was a cool and subtle compliment! At the kindergarten we do lion’s breath when we start to get really loud, and so many times now they just do it on their own.

What do you like most about your job in general?

I like that yoga has become an exciting thing for children. I wish I had access to yoga as a child because I think I would have had an accessible toolbox for calming my anxieties as I got older and the pressures of preteen and teenhood and then adulthood came about. I love that I can help children establish and grow that toolbox for finding their calm within. Their excitement about it, without really knowing how important and beneficial it can be for them in the long run, that is so pure and wholesome and absolutely rewarding.

What does Yoga mean for you personally?

For me yoga is balance, gratitude, and awareness. Like I said it’s something I’ve practiced on & off for many years. Mostly on with breaks in between. I have phases where I get really into it and times where I drop off the asana practice for a bit. But my breath awareness always stays with me. I have built a relationship with my body and my Self within selves through the practice and teachings of yoga. Yoga for me isn’t only about the asanas but about finding the inner strength to connect and be grateful for this fleshy capsule and the world it is a part of. Yoga for me is not just spirituality and movement but also activism. It can be such a useful tool for bringing awareness to the state of the planet and human connection.

Why do you think yoga is such a trend right now? (What is our society lacking / what are people looking for?)

Balance. Our society is running around like crazy trying to figure things out, the world and how it works and how they can be a part of it. But that is clearly unsustainable and I think people are realizing that looking within is a critical tool for existing in this practical and tangible world. Otherwise you’re just a fleshy capsule floating about looking for purpose meanwhile all that purpose is tucked away in that magical kingdom within. 

What would you tell someone who is thinking about starting yoga but is lacking the courage to actually give it a try?

I’ve noticed adults are often put off by yoga because they don’t think they are flexible enough. I would tell people that that’s not all that it’s about. And if that’s where you want to go you will get there surely! Yoga can help you build a relationship with yourself and others that will invite a flexibility of mind and body.